Liebe Teilnehmer*innen am bundesweiten Projekt „Saatgut leihen – Vielfalt ernten“!
Der Markt und damit das Angebot für unsere Ernährung wird heutzutage dominiert von Hybriden, denn 90 % der zugelassenen Handelssorten sind Hybriden. Diese werden mit viel Aufwand und oft mit gentechniknahen Methoden aus zwei Inzuchtlinien gezüchtet.
Hybridsaatgut ist „Einweg-Saatgut“, denn das Ergebnis in der nächsten Pflanzengeneration ist sehr uneinheitlich, teilweise lässt sich aus Hybriden auch gar kein neues Saatgut gewinnen. Unser samenfestes Saatgut ist „Mehrweg-Saatgut“, das Sie wieder in Ihre Bibliothek zurückbringen können.
Wenn Sie mehr über Hybriden erfahren möchten, empfehlen wir Ihnen folgendes:und
Wir haben für Sie folgendes vorbereitet:
Bei Fragen oder Problemen helfen wir gerne. Entweder per E-Mail (info@saatgutleihen.de)
oder in unserer Facebookgruppe „Saatgut leihen – Vielfalt ernten“.
Für Ihren Eintritt in die Gruppe bitte die Fragen beantworten. Sie werden zeitnah freigeschaltet.
Viel Freude im Garten!
Unsere fünf Gemüsearten: Was liegt an?
Tomaten
Blüten
Ab etwa Mitte Juni beginnen die Tomaten zu blühen. Nach und nach entwickeln sich daraus die begehrten Tomaten. Tomaten sind überwiegend selbstbefruchtend. Das bedeutet, dass die Blüte sich im noch geschlossenen Stadium selbst bestäubt. Zumeist mit Hilfe des Windes, der über die Beete streicht, werden die Blüten hinreichend geschüttelt, sodass der Pollen bei geschlossener Blüte auf den Stempel fällt. Im Gewächshaus sollten deshalb die Pflanzen von uns bewegt, also gestreichelt werden. Manche schwören auf die Zahnbürste, die die Rüttelbewegung von Hummeln nachahmt.
Allerdings sind einige Wildtomaten und auch Fleischtomaten kreuzungsgefährdet, da ihr Stempel bei noch geschlossener Blüte deutlich herausragen kann.
Für unser Projekt „Saatgut leihen – Vielfalt ernten“ haben wir darauf geachtet, Sorten auszusuchen, die selbstbefruchtend sind.
Tomaten brauchen Kalium
Das Düngen mit Brennnesseljauche und anderen stickstoffhaltigen Naturdüngern sollte Ende Juni, sobald die Fruchtbildung an der Pflanze beginnt, eingestellt werden. Ab dann brauchen die Tomaten recht viel Kalium. Einen hohen Gehalt an Kalium haben Borretsch und Bananenschalen, die jeweils verjaucht werden können. Die Herstellung von Pflanzenjauche wird im Newsletter 4 beschrieben. Ab Juli können die Tomaten mit kaliumhaltigen Jauchen gegossen werden.
Saatgutgewinnung
Für die Saatgutgewinnung werden vollreife gesunde Früchte geerntet. Auch die Pflanze, von der geerntet wird, sollte gesund und kräftig sein und für die Sorte typisch aussehen. Wenn mehrere Pflanzen zur Verfügung stehen, ist es gut, von allen Pflanzen Früchte für das Saatgut abzunehmen. Die Tomaten quer aufschneiden und die Samen mit dem Gallert herauskratzen oder einfach ausquetschen. Die Samen-Gallertmasse in ein Glas geben und etwas Wasser auffüllen. Wenn es kühl ist, kann eine Prise Zucker den Gärprozess beschleunigen. Als Schutz vor Fliegen verschließen, aber luftdurchlässig, damit entstehende Gase entweichen können.
Beschriftung nicht vergessen!
Tipp: Für die Beschriftung Malerkrepp benutzen. Malerkrepp kann von Arbeitsschritt zu Arbeitsschritt mitgenommen werden, denn es lässt sich leicht abziehen und wieder aufkleben. Besonders gut sind die bunten Sorten geeignet.
Der Gärprozess dauert je nach Temperatur ein bis drei Tage. Während dieser Zeit bitte täglich kontrollieren und schütteln. Wenn die Gallerthülle vergoren ist, sinken die Samen zu Boden. Da die Samen ohne Gallert keimen können, müssen sie jetzt sofort weiterverarbeitet und gereinigt werden. Dazu das Glas mit Wasser auffüllen, die Samen nach unten sinken lassen und die Flüssigkeit langsam abgießen. Diesen Vorgang so lange wiederholen, bis das Wasser klar bleibt. Zuletzt kann man die Samen unter fließendem Wasser in einem Sieb reinigen.
Für die Trocknung der Samen werden diese auf eine saugfähige, vor allem aber glatte Unterlage gestrichen. Zeitungspapier oder Pappteller eignen sich gut, und können mit dem Sortennamen und eventuell dem Datum beschriftet werden. Küchenkrepp ist nicht geeignet, weil die Samen daran haften bleiben. Nach etwa 14 Tagen ist der Trocknungsprozess abgeschlossen und die Samen können in ein beschriftetes Tütchen abgefüllt und gelagert werden.
Auf diese Weise gewonnenes Saatgut ist bei trockener Lagerung mindestens fünf Jahre haltbar.
Salat
Spätestens jetzt sollten die Salate schöne Köpfe gebildet haben. 3 bis 5 besonders schön gewachsene Salatpflanzen werden ausgesucht und gekennzeichnet. Dafür kann zum Beispiel ein Stab, der 1 bis 1,50 m lang ist, jeweils neben den ausgesuchten Pflanzen gesteckt werden. So können alle erkennen, dass diese Pflanzen blühen sollen und auf dem Beet stehen bleiben, bis die Samen ausgereift sind. Das wird Ende August/Anfang September soweit sein. Bis dahin verändert der Salat deutlich sein Aussehen. Zunächst schießt der Kopf. Das bedeutet, aus der Salatmitte heraus wächst der zukünftige Blütenstengel. Dieser wird deutlich über einen Meter lang. Häufig muss dieser mit einem Pflanzstab abgestützt werden.
Wichtiger Hinweis: Bitte keine Salatpflanzen für die Saatguternte nutzen, die sehr früh, bevor sie einen schönen Salatkopf gebildet haben, zu schießen begonnen haben. Deren Nachkommen werden mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenfalls keine schönen Salatköpfe bilden. Zudem werden die Blätter solcher Pflanzen früh bitter. Nur aus dem Saatgut von schönen sortentypischen Pflanzen können sich im Folgejahr wieder ebenso schöne Pflanzen bilden.
Alle anderen Salate können nach und nach geerntet werden. Außerdem können bis in den September hinein regelmäßig weiter Salat für die Küchenernte ausgesät werden. Spät ausgesäte Salate eignen sich nicht für die Gewinnung von Saatgut, weil die Samen später in der kühlen und eher nassen Jahreszeit nicht mehr ausreifen können. Deshalb haben wir auf allen Saatguttüten als Aussaattermin für die Samenernte den Zeitraum Februar bis April angegeben.
Gartenmelde
Wie bei den Salaten werden auch bei der Gartenmelde 3 bis 5 besonders schöne und sortentypische Pflanzen ausgesucht und mit einem Stab oder bunten Bändern gekennzeichnet. Bei der Gartenmelde bilden sich die recht unscheinbaren Blüten Ende Juli/ Anfang August. Die Blüten sind besonders für Schwebefliegen eine beliebte Nektartankstelle. Eine Pflanze entwickelt sich während des Sommers zu einem sehr breiten und hohen Gewächs, mit einem Durchmesser von etwa 80 bis 100 cm und bis zu einer Höhe von 2 m. Deren Samen wird erst Ende September, teils erst im Oktober, ausgereift sein.
Alle anderen Pflanzen werden nach und nach abgeerntet und in der Küche verwertet. Die ersten zarten Blätter können in einen Salat untergemischt werden. Die größeren Blätter können genauso wie Spinatblätter zubereitet werden. Für die eigene Ernährung kann Gartenmelde bis August fortlaufend nachgesät werden.
Bohnen
Die Bohnen sollten nun blühen und erste zarte Hülsen gebildet haben. Sobald sich die ersten Hülsen ausbilden, diese bitte mit einem deutlich sichtbaren Band kennzeichnen und vollständig ausreifen lassen. Die Hülsen sollen braun und trocken sein, bevor diese geerntet werden. Das wird im September, teilweise erst im Oktober der Fall sein. Deshalb ist es wichtig, für neues Saatgut möglichst frühe Bohnen zu nehmen, denn diese haben genug Zeit zum Ausreifen und entgehen dem teilweise sehr feuchten Herbst. Wir erziehen auf diese Weise die Sorten von Generation zu Generation dazu, möglichst früh abzureifen und somit eine sichere Ernte zu ermöglichen. Alle weiteren Bohnenhülsen können, sobald sie eine passende Größe erreicht haben, für die Küche geerntet werden. Eine weitere Aussaat ist nun nicht mehr empfehlenswert.
Bitte beachten:
Steht auf Ihrer Saatguttüte Brechbohne?
Dann können Sie die grünen oder gelben Hülsen in jungem Stadium gekocht verwenden.
Oder steht auf der Tüte Körnerbohne?
Diese Hülsen können Sie nicht essen, da sie zu faserig sind. Warten Sie bitte, bis sich die Körner gut sicht- und fühlbar entwickelt haben. Die Haut der Hülse wird jetzt gummiartig, das ist der Zeitpunkt, um die Körner „milchreif“ zu ernten und zu verwerten. Der richtige Zeitpunkt ist dann, wenn die Körner in der Farbe schon ihr endgültiges Aussehen erreicht haben. „Opfern“ Sie eine Hülse und schauen Sie hinein: Sind die Körner noch grün, sollten Sie mit der Küchenernte noch einige Tage warten. Die Kochzeit von milchreifen Körnern dauert in der Regel nur 10 – 15 Minuten.
Erbsen
Saatgut ernten
Wenn das Wetter trocken ist, können die Hülsen am einfachsten an den Pflanzen im Beet ausreifen. Zur Saatguternte können entweder die einzelnen Hülsen geerntet werden, diese müssen ganz trocken und brüchig sein, oder es werden die ganzen Pflanzen geerntet. Das Erbsenkraut mit den Hülsen kann zum Nachtrocknen über Kopf unter einem Dach aufgehängt oder locker auf Paletten ausgelegt werden. Auf alle Fälle sollte das Saatgut gut getrocknet sein. Bitte immer Saatgut von mehreren Pflanzen gewinnen.
Bei kleinen Saatgutmengen ist es das einfachste, die Samen von Hand aus den Hülsen auszulösen. Dabei auf einen Befall mit Erbsenkäfern achten. Den Befall ist an den kleinen runden Löchern in den Erbsen gut zu erkennen. Diese werden aussortiert. Die gut nachgetrockneten Samen werden dann für drei Wochen eingefroren, um eventuell noch vorhandene Larven des Erbsenkäfers abzutöten.
Bei richtiger Lagerung, vor allem trocken und lichtgeschützt, ist das Saatgut vier bis fünf Jahre keimfähig.
Saatgut zurückgeben, aufbewahren und verschenken
Rückgabe des Saatgutes
Wenn es mit der Vermehrung Ihres Saatgutes geklappt hat, vergessen Sie bitte nicht, eine kleine Menge Saatgut - 30 Samen reichen - korrekt beschriftet an die Bibliothek zurückzugeben. Wenn Sie mehr als eine Tüte zurückgeben möchten, bitte alle Informationen von der ausgeliehenen Saatguttüte übernehmen, wie im Foto unten dargestellt.
Bastelanleitung zum Ausdrucken (pdf)
Aufbewahrung des Saatgutes
Jede Saatguttüte bzw. jedes Glas müssen unbedingt mit dem vollständigen und korrekten Sortennamen beschriftet sein. Erst damit ist die Vermehrung der Sorte erfolgreich abgeschlossen. Eine nachträgliche Bestimmung der Sorte anhand der Samen oder auch den angezogenen Pflanzen ist bei den meisten Gemüsearten nicht möglich. Mit dem Sortennamen würden dann auch die spezifischen Anbauempfehlungen verloren gehen.
Um ein Beispiel zu nennen: am Namen einer Tomate ist erkennbar, ob es sich bei der Sorte um eine Buschtomate - keinesfalls ausgeizen- oder eine Stabtomate – unbedingt ausgeizen-, handelt. Der Sortenname wird ergänzt mit der Art, am besten der lateinischen Bezeichnung, da diese eindeutig ist und international verwendet wird.
Aus unserem Sortiment: Tomate
Die Heimat der Tomaten sind die Trockengebiete im westlichen Südamerika. Die Tomaten wurden vor über 6000 Jahren in Südamerika in Kultur genommen.
Mit den europäischen Seefahrern kam die Tomate im 16. Jahrhundert auch nach Europa. Zunächst wurde die Tomaten als Zierpflanze in botanischen Gärten und Parkanlagen von Lustschlössern kultiviert. Sie galt in Europa für 250 Jahre als giftig, da sie zu der Familie der Nachtschattengewächse gehören, unter denen es viele giftige Arten gibt, beispielsweise der Stechapfel. Zu den Nachtschattengewächsen gehören allerdings wichtige Kulturpflanzen, beispielsweise Kartoffeln und Tomaten und weniger bekannte Kulturpflanzen wie zum Beispiel Andenbeeren, Physalis und Tomatillos.
Die Italiener ließen sich als erstes in Europa von der Genießbarkeit der Tomaten überzeugen. Ab dem 17. Jahrhundert wurden Tomaten dort auf den Feldern angebaut. Italien wurde in Europa für die Tomate zur zweiten Heimat. Tomate und Pasta, das gehört schon für viele Generationen zusammen!
1760 wurde die Tomate im Katalog der Samengärtnerei Vilmorin als Zierpflanze geführt. Sechs Jahre später wurde die Tomate endlich auch dort als essbare Gemüsepflanze angepriesen. Ab da etablierte sich die Tomate langsam in den Küchen des Adels und des Bürgertums. 1876 erfand Henry John Heinz das Ketchup. In Deutschland verhalf das Tomatenbuch von Johannes Böttner, 1903 erstmals erschienen, den Tomaten endlich zum Durchbruch. Richtig beliebt wurde die Tomate bei uns ab den 1920er.
Ab dem 18, Jahrhundert wurde in Europa begonnen, Kulturarten gezielt züchterisch zu bearbeiten und die Ergebnisse auch einem überregionalen Markt anzubieten. Dazu gehören auch die Tomaten. Es sind mittlerweile über 20.000 Sorten weltweit bekannt. Allerdings haben nur wenige davon in Europa eine Handelszulassung. Eine kleine Recherche im Katalog des Bundessortenamtes listet lediglich 250 Tomatensorten auf. Nur diese dürfen bei uns in den Handel gebracht werden. In unserem Projekt „Saatgut leihen – Vielfalt ernten“ jedoch kultivieren Sie eine Sorte ohne Zulassung, die Sie somit garantiert nicht im Supermarkt finden werden.
Unser Buchtipp
Ute Studer: Tomatenlust. Die Geheimnisse der Tomatenpioniere - Tipps für den Anbau richtig guter Tomaten. Haupt Verlag; 1. Auflage 2019
Die Autorin hat Tomatenliebhaber*innen in Europa besucht und sie nach ihren Lieblingssorten gefragt. Die Tomatenpioniere kommen selbst zu Wort. Sie erzählen, wie sie Tomatenleidenschaft gepackt hat. Jeder handhabt die Kulturführung und die Saatgutgewinnung ihrer samenfesten Tomatenschätze anders. Es steckt langjähriges Erfahrungswissen in diesem Buch. Heraus gekommen ist ein schön bebildertes hochwertiges Buch, das Lust auf die Entdeckung der Tomatenvielfalt macht.
Zum Ausdrucken
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